12. Bevölkerung und NutzerInnen in Planungs- und Realisierungsprozesse einbeziehen

Mitsprache und Partizipation sind Grundpfeiler des schweizerischen Demokratieverständnisses. Im Bereich Wohnen und Bauen kommen diese Grundsätze jedoch vielfach zu kurz. Bei Nachverdichtungsprojekten ist es wichtig, dass die ansässige Bevölkerung frühzeitig über die geplanten Veränderungen informiert wird und ihre Bedürfnisse, Wünsche und Befürchtungen einbringen kann.

Checkliste

  • Bei Planänderungsverfahren, die zu Um- und Aufzonungen für Nachverdichtungsprojekte führen, die Partizipation der Bevölkerung des Quartiers durch Mitwirkung, öffentliche Auflage oder Abstimmungen vorschreiben.
  • Bauträgerschaften Kontakte zu Expertinnen und Experten vermitteln, welche auf die Gestaltung partizipativer Planungsprozesse im Zusammenhang mit Wohnungsbau spezialisiert sind. Diese können mit Quartiervereinen und anderen Quartiergruppen kooperieren. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Formulierung von Zielen bezüglich Bewohnerschaft, Durchmischung, Infrastruktur – und nicht auf der Definition der architektonischen Gestaltung.
  • Offenheit leisten, um Überlegungen aus partizipativen Prozessen in ein allfälliges Raumprogramm für Architekturwettbewerbe zu übersetzen. Nur wenn diese Übersetzung gelingt, ist gewährleistet, dass die Bevölkerung tatsächlich Einfluss auf die Zukunft ihres Quartiers ausüben kann.
  • Die Teilnahme von Delegierten aus dem Quartier in qualitätssichernden Verfahren bis hin zur öffentlichen Durchführung erlauben.

 

Tätigkeitsfelder

wohnleben soziales

11. Nutzungsmix von Wohnen, Freizeit, Gewerbe und Dienstleistungen fördern

Eine höhere bauliche Dichte ist eng verbunden mit Qualitätsaspekten wie Vielfalt des Angebots an Infrastruktur, Gewerbe und Dienstleistungen unterschiedlichster Art. Es ist letztlich diese Kombination, welche die Qualität urbanen Lebens ausmacht und die Voraussetzung bietet für Zielgruppen, welche einen nachhaltigeren Lebensstil führen möchten oder müssen.

Checkliste

  • Identifizieren der aktuellen sozialen und nutzungsbezogenen Infrastrukturen eines Quartiers und analysieren ihrer Bedeutung und des allenfalls bestehenden Potenzials für weitere Nutzungen (zum Beispiel Gewerbe). Dazu gehört ebenfalls das Umgestalten oder Kombinieren von bestehenden Strukturen für neue Anspruchsgruppen beziehungsweise Bewohnerinnen und Bewohner, falls es einen Mangel oder eine Lücke gibt.
  • Bewohner angrenzender Quartiere beziehungsweise Siedlungen in die Planung neuer Infrastrukturen und Angebote einbeziehen. Ziel ist es, nicht am Bedarf vorbei zu realisieren und zu planen, sondern die Bedürfnisse des Umfeldes zu berücksichtigen.
  • Nutzungen über raumplanerische Instrumente fixieren, um einen Gewerbeanteil oder auch soziale Einrichtungen im Erdgeschoss zu gewährleisten. Günstige Mietflächen für Kleinunternehmen ermöglichen, eventuell unter Einsatz von Erträgen aus der Mehrwertabgabe. Strategien vorschlagen, wie eine allfällig geringere Rendite durch Dienstleistungsangebote im Erdgeschoss durch leicht höhere Mieten wettgemacht werden können.
  • Erdgeschossnutzung situativ planen. Erreichbarkeit mit bestehender Verkehrsinfrastruktur beachten. Je nach Quartier oder geplanter Überbauung führen weitere planerische Massnahmen zum Ziel, einen guten Nutzungsmix zu erreichen, beispielsweise durch eine Kleinparzellierung der Baufelder.
  • Wohnbauträgerschaften und Gewerbetreibende in einer frühen Phase der Planung vernetzen. Auf diese Weise können die Bedürfnisse beider Gruppen aufeinander abgestimmt werden und in die Umsetzung der Überbauung integriert werden. Sich von kreativen Beispielen – Best Practices – inspirieren lassen und diese kommunizieren.

 

Tätigkeitsfelder

wohnleben konsummuster gesundheitsvorsorge freizeit

10. Wasser- und Nährstoffkreisläufe schliessen

Wo Böden versiegelt werden, bewirken starke Niederschläge gefolgt von längeren Trocken- und Hitzeperioden eine erhöhte Staubentwicklung, Überschwemmungen und vielfach erhebliche Kosten für Wasserableitungssysteme. Um solchen Problemen vorzubeugen, können Städte und Gemeinden mit innovativen Technologien die Schliessung von Wasser- und Nährstoffkreisläufen fördern.

Checkliste

  • Bei Neubauten oder der Erneuerung von Infrastrukturbauten ein naturnahes Regenwassermanagement mit Investoren konzipieren. Einen Plan zum vorgesehenen Regenwassermanagement verlangen, der die Artenvielfalt fördert, Erholungsräume schafft, zur Staubverminderung beiträgt und so die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner steigert.
  • Die Gebühren für Schmutzwasser und Regenwasser splitten. Wenn das Regenwasser vom Dach in eine Mulde abgeleitet wird, sparen Bewohnerinnen und Bewohner Gebühren. Gemeinde und Städte können die Architekt- und Planungsbüros bei neuen Projekten über den Gebührensplit sowie über Fördermöglichkeiten durch Fonds und Stiftungen informieren.
  • Ziele betreffend neuartige Sanitärsysteme definieren. Insbesondere bei Verdichtungsprojekten in Neubaugebieten ohne Anschluss an die Kanalisation oder bei Kläranlage-Problemen betreffend Stickstoffelimination sollten bestehende Strukturen überdacht werden. Werden die Sanitärsysteme erneuert, können Gemeinden und Städte abklären, welche Abnehmer für die Rohstoffe Stickstoff und Phosphor infrage kommen, zum Beispiel Landwirte der umliegenden Region.

 

Tätigkeitsfelder

energiesysteme konsummuster

9. Parkplatzangebot an Erschliessungsgüte anpassen

Über Parkplatzverordnungen legen Städte fest, wie viele Autoabstellflächen bei Neu- oder Umbauten – abhängig von Ausnützung, Nutzweise und Lage – auszuweisen sind. Diese Regelung schafft an zentralen städtischen Lagen häufig ein Überangebot an Parkplätzen und stellt damit eine teure „Verschwendung“ anderweitig nutzbaren Raumes dar.

Checkliste

  • Die Parkplatzverordnung in Zusammenarbeit mit Kantonen so anpassen, dass statt der Anzahl minimal erforderlicher Parkplätze auch die Möglichkeit entsteht, die maximal zulässige Zahl zu definieren. In die Berechnungsgrundlage neben der Ausnützung und der Nutzweise auch die ÖV-Erschliessungsgüte, die Zentralität der Lage, die Strassenkapazität sowie Carsharing-Standorte einbeziehen.
  • Um die Anzahl neu gebauter Parkplätze möglichst gering zu halten, Bauträgerschaften auf bestehende, anmietbare Parkplatz-Ressourcen (zum Beispiel unzureichend genutzte Tiefgaragen) in unmittelbarer Nähe ihres Projektstandortes hinweisen.
  • Schon in der Frühphase der Planung Investoren dahin gehend beraten, nachhaltige Mobilitätslösungen wie beispielsweise ein Angebot von Sharing-Systemen für Autos und Velos oder die Mitfinanzierung von ÖV-Abos zu entwickeln. Die räumliche Lage beim Zugriff aufs Auto vom Wohnort aus ist zentral für das Mobilitätsverhalten beim Arbeitspendeln.
  • Veloparkplätze in genügender Zahl und Qualität bereitstellen. Diese dürfen auch etwas kosten, wenn entsprechende Qualität und Service vorhanden sind. Attraktive, gut zugängliche Veloplätze von der anrechenbaren Bruttogeschossfläche ausnehmen (etwa in Erdgeschoss-Lagen).

 

Tätigkeitsfelder

energiesysteme wohnleben arbeit freizeit

8. ÖV, Fuss- und Veloverkehr sowie neue Mobilitätsmodelle ausbauen

Mobilität ist entscheidend, denn sie überbrückt die Distanz zwischen Arbeit, Freizeit und Wohnen und ist zugleich Motor des Städtewachstums. Anstelle des Ausbaus des Strassennetzes rücken aktuell ÖV, Fuss- und Veloverkehr sowie neue Mobilitätsmodelle in den Fokus.

Checkliste

  • Eine Velo- und Fusswegplanung erstellen. Die Velo- und Fusswegnetze im öffentlichen Raum ausbauen und Veloabstellplätze, Auflade- oder Reparaturstationen zur Verfügung stellen. Gibt es in der Gemeinde oder in der Stadt brachliegende Verkehrsinfrastrukturen, so können diese zugunsten des Fuss- und Veloverkehrs neu interpretiert werden.
  • Schulwege kinderfreundlich gestalten.
  • Gut erschlossene Gebiete sind attraktiver. Bereitschaft zeigen, die Taktfrequenz öffentlicher Verkehrsmittel in der Nähe neuer Siedlungen zu erhöhen und den Verkehrslinienplan beziehungsweise die Standorte der Haltestellen anzupassen, sodass das neue Quartier autoarm geplant werden kann.
  • Eine aktive Rolle einnehmen bei der Wissensvermittlung und Vernetzung relevanter Akteure zur Förderung des ÖV, des Fuss- und Veloverkehrs in Bauprojekten. Bauträger in einer frühen Phase der Projektplanung auf kreative Mobilitätskonzepte hinweisen, die fussgänger- und velofreundlich sind und autoarmes Wohnen ermöglichen (Velo-Angebote wie Abstellparkplätze oder Werkstätten, gute ÖV-Anbindung, Distribution von Mobilitätsgutscheinen, Anbindung an Carsharing, klare Kommunikation).
  • Attraktive Park and Ride-Angebote ausserhalb der Zentren schaffen und Innenstädte mit ÖV erschliessen.

 

Tätigkeitsfelder

energiesysteme konsummuster arbeit

7. Öffentliche und halb private Aussenräume gestalten

Es gilt, bei Nachverdichtungsprojekten darauf zu achten, dass halböffentliche und vor allem auch öffentliche Frei- und Grünräume sorgfältig mitgeplant werden resp. bereits bestehende Angebote sinnvoll ergänzen.

Checkliste

  • Leitbilder und Konzepte für Frei- und Grünraumgestaltung erarbeiten, die bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden sollen. Klar definierte Frei- und Grünflächen sind eine wesentliche Grundlage für eine zukunftsfähige Planung und beugen der Entstehung von blossen Resträumen vor. Ein solches Leitbild unterstützt nicht nur eine hohe Lebensqualität, sondern auch ökologische Aspekte wie Mikroklima und Durchlüftung.
  • Nutzung der vom Raumplanungsgesetz geforderten Mehrwertabgabe bei Neueinzonungen, indem die durch Verdichtungsmassnahmen generierten Mittel zum Beispiel für die Ausstattung von qualitativ hochstehenden Frei- und Grünräumen eingesetzt werden.
  • Preisvergabe für Bauträger, die hochwertige Frei- und Grünräume umsetzen oder vorbildliche qualitätssichernde Verfahren, wie beispielsweise Gestaltungswettbewerbe bei der Ausschreibung von Planungs- und Bauleistungen, durchführen.
  • Im Rahmen von Planänderungsverfahren bei Um- und Aufzonungen in den Vorschriften zum Sondernutzungsplan spezifische Themen wie zum Beispiel Gestaltungsgrundsätze, Baumpflanzungen oder Handlungsanweisungen zur Biodiversität verankern.
  • Den Weg von der Wohnung zum Aussenraum und umgekehrt, die Nutzbarkeit des Aussenraums und die Sicherheit aus Sicht der Kinder, älterer Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen überlegen.
  • Strassen hierarchisieren, wo dies möglich und sinnvoll ist. Geeignete Strassen vom Verkehr befreien und in lebendige Begegnungszonen mit hoher Wohnqualität umwandeln.

 

Tätigkeitsfelder

wohnleben gesundheitsvorsorge freizeit

6. Energieeffizienz auf Quartier- und Gemeindeebene planen

Instrumente wie Minergie Standards, welche die Energieeffizienz evaluieren, legten den Fokus bis anhin auf einzelne Gebäude. Wird die Frage nach Energieeffizienz vom Einzelgebäude gelöst und auf Quartierebene diskutiert, können vorhandene Potenziale besser ausgeschöpft werden.

Checkliste

  • Übergreifende kommunale Energiekonzepte und -strategien gestützt auf kantonale Energiegesetzgebung entwickeln, Energiefragen in Richtplänen und Bebauungsplänen regeln. In Planungen frühzeitig thematisieren, energietechnische Gutachten einfordern und Energiebegleitung in Varianzverfahren sicherstellen.
  • Datenbanken und Karten von Wärmequellen (Kanalisation, See, Industrie, Technikzentrale, Rechenzentrum, Kläranlage) und deren Versorgungsgebieten auf Gemeinde und Quartierebene erstellen. Diese Energiepläne öffentlich zugänglich machen.
  • Energiedienstleistungen vernetzen: Tiefbauarbeiten und Wärmeerschliessung aufeinander abstimmen, indem Kontakte zwischen Tiefbauamt, Energieproduzenten und Projektträgern hergestellt werden. Lokale Energieversorger für Finanzierungsmodelle ins Gespräch einbeziehen.
  • Kompensation zwischen Gebäuden erlauben. Nicht jedes Gebäude muss sich an die geltenden Energieverordnungen halten (bspw. denkmalgeschützte Gebäude), wobei die zu erlassenden Kriterien im Einzelfall definiert werden. Das gesamte Areal, und nicht einzelne Gebäude, sollte die Vorschriften bezüglich Energieeinsparungen einhalten müssen.
  • Aktiv werden – damit nicht vollständig genutzte Grundwasserwärmepumpen und Erdwärmesonden innerhalb kleinerer, nachbarschaftlicher Wärmeverbunde organisiert werden können.

 

Tätigkeitsfelder

energiesysteme